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28. März 2024

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Cannabisstoff lindert Symptome bei Parkinson

Cannabisstoff lindert Symptome bei Parkinson@pexels.com/Yash Lucid

International beachtete Studie der MedUni Innsbruck untersucht erstmals Wirksamkeit eines Cannabinoids bei nicht-motorischen Parkinson-Symptomen und erkennt nachweisliche Besserung mit potenziellen therapeutischen Auswirkungen auf Motorik.

(red/czaak) An der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie wurden die Auswirkungen eines bereits gegen Chemotherapie-induzierte Übelkeit zugelassenen Cannabinoids auf Parkinsonpatienten untersucht. Zu den nichtmotorischen Symptomen (NMS) bei Parkinson gehören Funktionsstörungen des autonomen Nervensystems (Anm. orthostatische Hypotonie oder Obstipation), Geruchsstörung, Veränderungen der Stimmungslage, Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit, Wahrnehmungsstörungen sowie Störungen des Schlaf- oder Wachzustands oder Störungen des Traumschlafs (Anm. REM-Schlafverhaltensstörung).

„Viele davon können die typischen motorischen Symptome der Parkinson-Krankheit um Jahre oder sogar Jahrzehnte vorwegnehmen“, erklärt Klaus Seppi, Neurologe und korrespondierender Autor der Studie. Die Belastung durch NMS nimmt im Allgemeinen während des Krankheitsverlaufs zu. „Es gibt jedoch nur wenige Daten zur Behandlung der NMS. Die verfügbaren Behandlungsoptionen sind begrenzt bzw. die Ergebnisse oft unbefriedigend“, beschreibt Seppi die Ausgangslage zur Durchführung dieser Studie.
 
Viele Patienten wollen Wirkung wissen
„Die potenzielle therapeutische Wirkung von Cannabinoiden auf Motorik und NMS bei Parkinson ist ein wichtiges Thema und wird häufig von Patienten angesprochen“, erläutert Marina Peball, Erstautorin der Studie. Bis zu 95 Prozent der Neurologen vom Center of Excellence der National Parkinson Foundation, die an einer von der der Michael-J.- Fox-Stiftung für Parkinson-Forschung unterstützten online-Umfrage zu Cannabis teilnahmen, seien von Parkinson-Patienten um Verschreibung von medizinischem Marihuana gebeten worden. Es gibt jedoch nur begrenzte Belege für ihre Anwendung von Cannabinoiden bei Parkinson, da die verfügbaren Studien entweder zu klein oder unkontrolliert waren.

„In unserer Studie haben wir die Wirkung von Nabilon auf die kontrollierte Behandlung von NMS bei Parkinson randomisiert und fundiert kontrolliert bei einer hohen Zahl an Patienten untersucht“, so Seppi weiter. Zu diesem Zweck wurde ein Entzugsdesign verwendet, nachdem alle an der Studie teilgenommenen Patienten auf Nabilon eingestellt wurden. Nabilon ist ein synthetisches Analogon von Tetrahydrocannabinol, der psychoaktiven Komponente von Cannabis, mit ähnlichen pharmakologischen Eigenschaften. „Wir haben uns für Nabilon entschieden, da dessen Hersteller AOP Orphan das Medikament und das dazugehörige Placebo zur Verfügung gestellt hat. Auch andere Präparate wären infrage gekommen“, ergänzt Seppi. 
 
Internationale Beachtung für Studienexpertise an Med Uni Innsbruck
Das Besondere an dieser Studie ist auch, dass es die erste randomisiert kontrollierte Untersuchung ist, die die Wirksamkeit und Sicherheit eines Cannabinoids bei der Behandlung von NMS bei Patienten mit Parkinson ermittelt. Erwähnenswert sei auch „die hervorragende Studieninfrastruktur an der Med Uni Innsbruck, die zu dieser auch international anerkannten Eigenstudie geführt hat“, betont Werner Poewe, Mitautor der Studie und ehemaliger Direktor der Uniklinik für Neurologie. Er lobt zudem „die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit Einheiten wie dem Kompetenzzentrum für Klinische Studien und den Departments für Genetik und Pharmakologie sowie Medizinische Statistik, Informatik und Gesundheitsökonomie am Innsbrucker Campus.“ 
 
„Unsere Ergebnisse zeigen eine Verbesserung der gesamten NMS-Belastung mit Nabilon, was sich insbesondere in einer Verminderung der Angstzustände und Schlafstörungen widerspiegelt. Die Behandlung wurde gut vertragen. Diese Studie ergänzt den bisher begrenzten Nachweis zur Wirksamkeit einer Behandlung auf Cannabinoidbasis bei Patienten mit störenden NMS bei Parkinson“, fassen die Studienautoren zusammen. 

Das Ergebnis dieser Studie kann somit zu einem besseren Verständnis des Werts von Cannabinoiden für die Behandlung von NMS bei Patienten mit Parkinson beitragen und könnte zudem als Basis für größere und eventuell zu einer Zulassung führender Studien dienen, so die die Studienautoren der MedUni Innsbruck. Die randomisiert kontrollierte Studie wurde auch kürzlich im renommierten Fachjournal der American Neurological Assosiation „Annals of Neurology“ publiziert und hat zahlreiche internationale Reaktionen nach sich gezogen.

Links

red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 29.09.2020