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28. März 2024

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Debatte um angeblich schlechte Standards in Homöopathie-Forschung

Debatte um angeblich schlechte Standards in Homöopathie-Forschung© Pexels.com/pixabay

Studie von Donau Uni Krems, Karl Landsteiner Uni und Med Uni Wien kritisiert verzerrende Studien und überschätzte Wirkung bei Homöopathie. Homöopathieverbände stellen einseitige Darstellung der Studie in Frage und orten gleiche Lage bei Studien zu konventioneller Medizin.

(red/czaak) Die Prinzipien der Homöopathie wurden vor fast 200 Jahren entwickelt. In vielen entwickelten Ländern gilt sie als ganzheitliche und vergleichbare Alternative zur modernen Medizin, obwohl viele Grundsätze weitgehend im Widerspruch zu physikalischen und medizinischen Prinzipien stehen sollen und die Debatten um die Wirksamkeit seit Langem anhalten.

ForscherInnen der Universität für Weiterbildung Krems, der Karl Landsteiner Privatuniversität und der Medizinischen Universität Wien orten nun einen bedenklichen Mangel an wissenschaftlichen Standards im Bereich der Forschung zu Homöopathie und daraus sollen sich auch Fragen bei der Wirksamkeit homöopathischer Mittel ergeben.

Ein hohes Risiko für Verzerrungseffekte
Konkret lasse die aktuelle Analyse darauf schließen, dass die Forschung hier ein hohes Risiko für Verzerrungseffekte aufweise und die tatsächliche Wirkung von homöopathischen Mitteln erheblich überbewertet werden könnte. Grund dafür sei die fragwürde wissenschaftliche Praxis im Rahmen der Forschung zu Homöopathie. Die Auswertung der Wissenschafter von Cochrane Österreich an den angeführten Unis zeigt, dass 38 Prozent der seit 2002 registrierten Homöopathie-Studien im Anschluss nicht veröffentlicht wurden.

Parallel wurden 53 Prozent der Studien zu diesem Themenbereich nicht offiziell registriert und bei einem Viertel wurde das Hauptziel in der späteren Veröffentlichung verändert. Zudem ergaben die nicht registrierten Studien größere therapeutische Effekte als die registrierten Studien. Der hohe Anteil an nicht oder erst im Nachhinein registrierten Homöopathie-Studien zeige, dass deren Veröffentlichung tendenziell von den Ergebnissen abhängt - der Reporting-Bias, verzerrende Effekte auf die Studienlage.

Fragwürdige Kritik von Studienautor Gerald Gartlehner
„Diese Ergebnisse zeigen erschreckend schlechte wissenschaftliche Standards in der Homöopathie-Forschung. Man kann davon ausgehen, dass viele Studien nicht publiziert wurden, weil sie nicht das gewünschte Ergebnis gezeigt hatten“, so Studienautor Gerald Gartlehner, Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation an der Donau Uni Krems. „Publizierte Homöopathie-Studien berichten wahrscheinlich nur die attraktiven Ergebnisse und bieten daher ein verzerrtes Bild der Wirksamkeit“, ergänzt Gartlehner.

Angesprochen auf die Studie und das Resümee des Studienautors orten die Österreichischen Homöopathieverbände umgekehrt ein fachlich fragwürdiges Verhalten seitens Gartlehners. „Seine Studie untersucht ausschließlich homöopathische Studien und seltsamerweise setzt er die Ergebnisse in keinerlei Kontext zur Grundgesamtheit an klinischen Studien“, sagen Elisabeth Lazcano von der Österreichische Gesellschaft für Homöopathische Medizin und Bernhard Zauner von der Ärztegesellschaft für klassische Homöopathie.

Vergleiche mit Studien zu konventioneller Medizin
Gemeinsam mit Petra Weiermayer von der Österreichischen Gesellschaft für Veterinärmedizinische Homöopathie fragen sich die Homöopathieverbände: „Welches Ziel mag Gartlehner als Co-Direktor des Cochrane Institute Austria damit verfolgen?" Sie spielen damit auf den Umstand an, dass sich Barbara Nußbaumer-Streit als Co-Direktorin des Cochrane Zentrums und Gartlehner-Kollegin an der Donau-Uni im Februar 2020 die Studien-Situation in der konventionellen Forschung angesehen hat (Anm. „Clinical Trial Transparency in Austria-Mapping unreported drug trials“) und es hier teilweise sogar schlechtere Ergebnisse im Vergleich mit der Homöopathie gab.

„Nur knapp über 18 Prozent der Studien wurden zum damaligen Zeitpunkt in der dafür vorgesehenen Datenbank ordnungsgemäss hochgeladen. Rund 40 Prozent aller von Medizinunis in Österreich beauftragten Studien zu Arzneimittel erblicken niemals das Licht der Öffentlichkeit“, so Lazcano, Zauner und Weiermayer. Und: Im Vergleich zu den Studien in der konventionellen Medizin zeige Gartlehners Studie für die Homöopathie-Forschung sogar bessere Ergebnisse. Es gäbe „eine geringere Nutzenüberschätzung als in der konventionellen medizinischen Forschung“ und „eine signifikant geringere Verzerrung durch Nichtveröffentlichung von Studien“, so die Homöopathievertreter.

Aufnahme von Homöopathie in S3-Richtlinie Komplementärmedizinische Onkologie
Im Gespräch mit economy erwähnen sie noch, dass Gartlehner sich auf Studien zur Homöopathie bis ins Jahr 2002 beruft, diese Datenbank aber erst seit 2005 bzw. 2014 besteht. Studien können aber 10 Jahre im Nachhinein eingetragen werden. Zuletzt wurde die Homöopathie in die sogenannte S3-Richtlinie Komplementärmedizinische Onkologie aufgenommen. Unter den Experten der Richtlinie finden sich auch bekennende Gegner der Homöopathie. „Im Normalfall sollte neues Wissen zur Klärung einer Problematik beitragen. In der Homöopathiedebatte zeige sich jedoch, dass neues Wissen keine Veränderung bringe und vielmehr versucht wird, die Homöopathie mit neuen Mitteln in Misskredit zu bringen“, kritisieren Lazcano, Zauner und Weiermayer.

Grundsätzlich sei Gartlehner für das Aufgreifen der Problematik zu danken, da es sich hier um ein Problem der gesamten Medizin handle. „Hohe ethische Verpflichtungen gegenüber den PatientInnen sollten allen Forschenden, sowohl in der konventionellen als auch in der komplementären Medizin ein Anliegen sein“, so das Resümee der Homöopathievertreter. Elisabeth Laczcano von der Gesellschaft für Homöopathische Medizin ist Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Psychiatrie. Petra Weiermayer von der Gesellschaft für Veterinärmedizinische Homöopathie ist Tierärztin und Bernhard Zauner von der Ärztegesellschaft für klassische Homöopathie ist Allgemeinmediziner.

Um dem Phänomen des Reporting-Bias entgegenzuwirken, wurden öffentlich einsehbare Datenbanken für Forschungsarbeiten wie ClinicalTrials.gov (USA) und ClinicalTrialsRegister.eu (EU) gegründet. Seit 2008 sind Wissenschafter dazu verpflichtet, ihre Studien im Vorfeld zu registrieren und deren Ergebnisse zu veröffentlichen. Dennoch ist der Anteil an Studien, deren Ergebnisse nicht veröffentlicht werden, noch immer hoch und das gilt auch bei Untersuchungen im Bereich der konventionellen Medizin - und nicht nur in der Homöopathie.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 21.03.2022