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19. April 2024

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Branchenübergreifende Ergebniseinbrüche

Branchenübergreifende Ergebniseinbrüche© Pexels.com/Riccardo Bresciani

In Umfrage von Hoteliervereinigung, Handelsverband, Gewerbeverein, Senat der Wirtschaft und Forum EPU erläutern Unternehmen angespannte Situation. Die Branchenverbände fordern von Regierung weitere Wirtschaftshilfen und stärkere Einbindung bei Planung.

(red/czaak) Für die Hotellerie sei die aktuelle Situation „erst der Beginn eines langen Weges durch ein finsteres Tal“ und „an seinem Ende werden weniger regionale Leitbetriebe, Investitionen und Beschäftigte stehen“, warnt Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung. Angaben zufolge verzeichneten Hotels bisher einen Umsatzrückgang um durchschnittlich 929.000 Euro.

Die Investitionen sollen sich heuer um durchschnittlich 784.000 Euro reduzieren und nächstes Jahr um 950.000 Euro. „Unsere Ausgabenrückgänge sind die Einnahmenrückgänge des Gewerbes. Fehlen uns Gäste, fehlen dem Handel Kunden. Wollen wir da wie dort Arbeitsplätze retten, braucht es effektivere Maßnahmen als bisher“, so die branchenübergreifende Interpretation von Reitterer zu den vorliegenden Daten.
 
Handel braucht sofortige Struktur- und Steuerreform
Im Einzel- und Großhandel stehen alle Bereiche vor massiven Herausforderungen, so der Handelsverband. Die Händler rechnen heuer mit Umsatzeinbußen von durchschnittlich 32 Prozent. „2020 werden im Handel wohl ein Drittel der Umsätze wegbrechen. Die Investitionen werden ebenfalls zurückgefahren, wovon alle Branchen betroffen sind“, sagt Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbandes. Er verweist zudem auf die hohe Zahl an Arbeitslosen und Menschen in Kurzarbeit.

Mayer-Heinisch weiter: „Nachdem die Kriseninstrumente die Firmen nur langsam erreichen, muss die Kaufkraft der Bevölkerung gestärkt werden, damit Selbsthilfe möglich ist. Ein Vorziehen der bereits paktierten Steuerreform sowie die Ausgabe von 500 Euro-Schecks an alle Personen mit Hauptwohnsitz Österreich und einem Jahreseinkommen unter 11.000 Euro sind dafür entscheidend.“
 
Halbierte Einnahmen bei EinPersonenUnternehmen (EPU) 2020
Aus Sicht des EPU-Forums trifft die Krise besonders EPU: Hier wird der bisherige Umsatzrückgang mit 80 Prozent besonders hoch angesetzt. Für das gesamte Jahr 2020 rechnen die Kleinstunternehmen mit einem Rückgang um 50 Prozent. Die Hilfsmaßnahmen der Regierung werden besonders kritisch gesehen. Während branchenübergreifend ein Drittel der Unternehmen die Maßnahmen pauschal als nicht hilfreich kritisieren, sind es hier 52 Prozent.

„Auch wenn jedes EPU und Kleinstunternehmen für sich genommen unbedeutend erscheint, hat die Gruppe dieser Unternehmen durch hohe Beschäftigungswirkung und Wertschöpfung eine entsprechend relevante gesamtwirtschaftliche Bedeutung“, erläutert Sonja Lauterbach, Sprecherin von EPU Forum.
 
Fünf Verbände und vier Forderungen
Hans Harrer, Vorstandsvorsitzender des Senats der Wirtschaft, ein freiwilliger Verband mit 600 Mitgliedern aus Industrie, Handel, Gewerbe und Dienstleistung, appelliert an die Bundesregierung, das Feedback aus den Unternehmen ernst zu nehmen, um rasch gegenzusteuern und Schlimmeres zu verhindern: „Die Kollateralschäden durch Corona treffen Wirtschaft und Standort deutlich härter, als die Bewertung der Hilfsmaßnahmen durch Bundesregierung und Wirtschaftskammer annehmen lässt.“

Harrer weiter: „Wir müssen alles daran setzen eine Negativspirale aus Arbeitslosigkeit, Investitions- und Konsumrückgang bis hin zum Zulauf zu den politischen Rändern zu verhindern.“ Die staatlichen Hilfsmaßnahmen seien „gut gemeint, die Anstrengungen in Ministerien, Banken, AMS & Co. fruchten aber nicht ausreichend.“ 

Politische Empfehlungen der Branchenverbände
Aus den Rückmeldungen der Unternehmen über alle Branchengrenzen hinweg leiten die Verbände folgende politische Empfehlungen ab: Den Unternehmen muss jetzt Eigenkapital zugeführt werden, damit sie diese Krise durchstehen können. Eine vorgezogene Steuerreform muss noch vor dem Sommer kommen, wo eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer eine nachhaltige Stimulation der Nachfrage auslöst.

In einem weiteren Schritt „müssen Staat und Wirtschaftskammer Reserven locker machen, so wie es die Unternehmen vorgezeigt hätten“. Branchenverbände beziehen sich hier auf 1,4 Mrd. Euro an Kammerrücklagen von den Unternehmen, die „genau für derartige Krisenfälle da sind.“ Gleiches gelte auch „für alle staatlichen Organisationen oder Versicherungen, die tunlichst ihre Reserven heben und Unternehmen etwa durch Erlassen von gestundeten Zahlungen sofort helfen könnten.“

Politische Einbindung und Verbandskritik an Wirtschaftskammer
Aus Sicht der Branchenverbände zeige die Bilanz der Unternehmen zudem, „wie wichtig es ist, freie Unternehmerverbände stärker einzubeziehen“. Dies sei „bislang unzureichend erfolgt und hat insbesondere beim Härtefallfonds existenzielle Probleme der Betroffenen bis zum heutigen Tage verschärft“. Die Umfrageergebnisse würden zeigen, dass jene Verbände in die Maßnahmenpakete eingebunden werden müssen, die die Situation laufend analysieren und die Interessen der Unternehmen transparent und konsequent vertreten.

„Davon kann bei der Wirtschaftskammer leider keine Rede sein, wie die vorliegende Befragung von Unternehmen zeigt“, so die abschließende Einschätzung von Hoteliervereinigung, Handelsverband, Gewerbeverein, Senat der Wirtschaft und Forum EPU. In den (übermittelten) Ergebnissen der Ende Mai unter 643 Kleinbetrieben durchgeführten Umfrage selbst oder in der Presseaussendung ist kein Bereich zum Thema Wirtschaftskammer angeführt.

(Anm. der Redaktion: siehe dazu auch Text: „Regierungsmaßnahmen überwiegend hilfreich“)

Links

red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 15.06.2020