Jugendliches Bauchgefühl für Fake News und die Rolle klassischer Medien
Bedeutung Sozialer Netzwerke als Informationsquelle für Jugendliche steigt weiter. Bei Bewertung von Falschinformation dient primär das Bauchgefühl. Diskrepanzen bei klassischen Medien und gute Werte für Wikipedia.
(red/czaak) Das Portal SaferInternet rund um die Internet-Ombudsstelle untersuchte das Informationsverhalten junger Menschen zuletzt 2017. Bereits damals waren Onlinemedien und Soziale Netzwerke die wichtigsten Quellen für tagesaktuelle Informationen aus Politik, Sport und Kultur. Bei der nun präsentierten neuen Erhebung hat sich das noch verstärkt. Verstärkt hat sich parallel der Niedergang von Tageszeitungen und Magazinen in der Inforelevanz bei Jugendlichen.
Achtzig (80) Prozent der befragten Jugendlichen nützen Soziale Medien mindestens wöchentlich, gegenüber der letzten Erhebung 2017 mit 59 ein Zuwachs von 21 Prozent. YouTube wird, mit einem besonders deutlichen Zuwachs von fast 50 (!) Prozent, von drei Viertel (75 Prozent) der Jugendlichen zumindest wöchentlich zur Information über tagesaktuelle Themen verwendet (2017: 27 Prozent).
Die Diskrepanz zwischen Glaubwürdigkeit und Nutzung
Auf den weiteren Plätzen folgen Streaming-Plattformen mit 59 Prozent, dann Fernsehen (2023: 54 ; 2017: 59) sowie Blogs und allgemeine Webseiten mit 48 Prozent. Rund vier von zehn Jugendlichen nutzen Webseiten klassischer Medien (2023: 39 ; 2017: 20), Wikipedia (2023: 39 ; 2017: 9), sowie Radio (2023: 37 ; 2017: 33 ). Podcast werden noch von 24 Prozent genutzt. Gedruckte Tageszeitungen und Magazine spielen nur noch bei 17 Prozent eine relevante Rolle, das ist ein (weiteres) Minus von 8 Prozent gegenüber 2017.
Obwohl Soziale Netzwerke die wichtigste Informationsquelle für Jugendliche sind, beurteilen sie diese als wenig glaubwürdig. Nur acht Prozent der Befragten schätzen Soziale Netzwerke als „sehr glaubwürdig“ ein (2017: 10 Prozent). Ähnliches gilt für die zweitwichtigste Informationsquelle YouTube, die nur von 10 Prozent als „sehr glaubwürdig“ bewertet wird.
Influencer wichtiger als klassische Medien
Das meiste Vertrauen genießt unter den Jugendlichen die Informationsquelle Wikipedia, 25 Prozent erachten sie als sehr glaubwürdig (2017: 21 Prozent). Auf den weiteren Plätzen im Vertrauensranking folgen die klassischen Medien Radio (2023: 21 ; 2017: 32), Fernsehen (2023: 20 ; 2017: 29 %), Webseiten der klassischen Medien (2023: 19 ; 2017: 23) sowie Tageszeitungen und Magazine (2023: 12 ; 2027: 20 Prozent). Auffällig: Klassische Medien werden zwar aktuell von Jugendlichen noch als glaubwürdiger beurteilt, aber weitaus weniger genutzt.
Ebenfalls werden InfluencerInnen von Jugendlichen verstärkt als tägliche News- und Informationsquelle genutzt und von diesen als „moderne Journalisten“ wahrgenommen. Jedoch handelt es sich hierbei meist um junge Menschen, die eigene Onlinekanäle betreiben, aber in der Regel keinen redaktionellen Qualitätskriterien unterliegen. Bereits 63 Prozent der Jugendlichen beziehen sich bei tagesaktuellen Themen auf Beiträge von InfluencerInnen.
Bauchgefühl als Wegweiser zum Erkennen von Fake News
Suchmaschinen wiederum werden im täglichen Gebrauch von Jugendlichen vorrangig für den schulischen und beruflichen Kontext verwendet. Als private Recherche- und Informationsquelle zu tagesaktuellen Themen werden diese nur mehr von 48 Prozent der Jugendlichen genutzt. Bei der Internetsuche dominieren inzwischen YouTube mit 75 Prozent und Soziale Netzwerke mit 80 Prozent.
49 Prozent der befragten Jugendlichen sind sich häufig unsicher, ob Informationen im Internet wahrhaft sind. Selbst für schulische Zwecke überprüfen jedoch nur 64 Prozent der Jugendlichen die Quellen von Informationen – und das nur, wenn ihnen die Information unglaubwürdig erscheint. Das Interesse zur Überprüfung von Informationen ist bei einem Großteil der Jugendlichen vorhanden. Allerdings geben nur 22 Prozent der Jugendlichen an, Internetseiten für den Faktencheck etwa über Mimikama und Correctiv zu kennen (siehe Links).
Ignorieren als wichtigste Strategie im Umgang mit Falschmeldungen
Nur 12 Prozent der Jugendlichen nutzen aber diesen Faktencheck dann auch tatsächlich. 54 Prozent der Jugendlichen geben an, Informationen aus unterschiedlichen Quellen zu vergleichen. Die Hälfte der jungen Menschen gibt an, Nachrichten zu aktuellen Themen ungeprüft weiterzuleiten. 53 Prozent empfinden die Überprüfung der Informationsquellen als mühsam. Für 56 Prozent der 11- bis 14-Jährigen sind die Eltern die erste Anlaufstelle bei Fragen zum Wahrheitsgehalt von Informationen im Internet. Je älter die Jugendlichen werden, desto eigenständiger agieren sie.
Im Alltag zeigt sich, dass Ignorieren die wichtigste Strategie im Umgang mit Falschmeldungen ist (57 Prozent). 7 von 10 Jugendlichen sagen, es sei schwierig herauszufinden, ob eine Information aus dem Internet wahr oder falsch ist. Ein Viertel der Jugendlichen macht Personen, die Falschinformationen verbreiten, direkt aufmerksam. Ähnlich viele (24 Prozent) nutzen die Meldemöglichkeiten der Plattform-Betreiber. 21 Prozent der Jugendlichen versuchen mithilfe von Kommentaren andere Personen vor Falschmeldungen zu warnen.
Portal Saferinternet bietet vielfältige Angebote zur Unterstützung Jugendlicher
Das Portal Saferinternet selbst bietet vielfältige Angebote, um Jugendliche bei ihrem Dilemma im Umgang mit Fake News zu unterstützen. Damit das möglichst einfach gelingt, sind praktische und niederschwellige Werkzeuge sowie eine rasche und qualitative Bearbeitung durch die Plattformen notwendig. Auch Schulen müssen sicherstellen, dass SchülerInnen diese Kompetenz praktisch erlernen – und das möglichst in allen Fächern und Schulstufen regelmäßig üben.
Gefordert sind auch die Eltern, ihre Kinder über vertrauenswürdige Quellen aufzuklären und im familiären Alltag laufend den Wahrheitsgehalt von Informationen zu besprechen. Die Informationsbeschaffung von Jugendlichen sowie die Wissensvermittlung im Bildungssystem und privatem Bereich werden sich aufgrund neuer Dialogsysteme (Chatbots) und KI (ChatGPT) weiter massiv verändern. Jetzt und insbesondere rund um den kommenden Safer Internet Day am 7. Februar stehen für Jugendliche, Eltern und LehrerInnen adäquate Materialien gratis per Download zur Verfügung.