Die Zukunft der Herzmedizin ist digital
Beim letzten Kardiologie Kongress in Innsbruck wurden neue Entwicklungen aus klinischem und niedergelassenem Bereich erläutert. Schwerpunkte waren Digitale Medizin und Künstliche Intelligenz.
(red/cc) Beim 26. Kardiologie Kongresses Anfang März in Innsbruck wurden primär neue klinische Behandlungsmethoden und Forschungsvorhaben erörtert. Davon sollen Patienten ebenso profitieren wie von einem neuen Großgerät, das ab August an der Innsbrucker Klinik zum Einsatz kommt. Im Sommer wird zudem an der Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Kardiologie und Angiologie der erste Patient im neuen und damit vierten Herzkatheter-Labor behandelt werden können.
Generell hat die invasive Kardiologie von den Koronareingriffen bis hin zu den neuen Katheter-basierten Herzklappenimplantationen in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung durchlaufen. Die Qualität der immer komplexer werdenden Prozeduren ist jedoch nur an einem erfahrenen Zentrum gegeben. Um den steigenden Leistungszahlen gewachsen zu sein, erfolgt nun der Bau eines neuen Herzkatheterlabors an der Innsbrucker Klinik. „Der Ausbau ist wichtig, um sowohl der wachsenden Zahl an Notfällen als auch den elektiv zu versorgenden Herzpatientinnen und -patienten gerecht zu werden“, erklärt Axel Bauer, Klinikdirektor und Kongress-Organisator.
Künstliche Intelligenz in der klinischen Forschung
Neben der demographischen Entwicklung spielen auch eine verbesserte Diagnostik und Kathetertechnik eine wichtige Rolle. Letztere erlaubt es, auch ältere Patienten optimal behandeln zu können. „Ein Gefäßverschluss muss in weniger als einer Stunde wiedereröffnet sein, um den Schaden am Herzmuskel möglichst gering zu halten. Diese Intervention setzt entsprechende Erfahrung und Routine voraus“, ergänzt Bernhard Metzler, geschäftsführender Oberarzt der Klinik.
Ganz oben auf der Agenda des 26. Kardiologie Kongresses standen die Themen Künstliche Intelligenz (KI) und Digitale Medizin. In diesem Bereich besitzt die Kardiologie Innsbruck hohe Expertise und wird den komplexen Herausforderungen nicht zuletzt mit einer erst kürzlich mit dem Mediziner und Physiker Clemens Dlaska besetzten neuen Professur für Digitale Medizin in der Kardiologie gerecht. Zudem startete letztes Jahr das von der Innsbrucker Kardiologie geleitete Austrian Digital Heart Program. Das von der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft mit acht Millionen Euro geförderte Forschungsvorhaben zielt auf die frühe und bevölkerungsweite Diagnose und Therapie von Vorhofflimmern zur Senkung der Schlaganfallrate.
Ältere Menschen mit höherem Risiko nehmen Vorsorge selbst in die Hand
Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung weltweit und erhöht das Sterblichkeitsrisiko deutlich. Weil diese Rhythmusstörung aber oft unerkannt bleibt und Früherkennung hier lebensrettend sein kann, wird im Rahmen des über acht Jahre laufenden Projekts eine auf digitalen Technologien und intelligenten Geräten (z.B. Smartphones) basierende Vorhofflimmer-Screening- und -Behandlungsstrategie entwickelt und überprüft. Diese soll österreichweit zum Einsatz kommen und letztlich in das Gesundheitssystem integriert werden.
„Vision des Projektes ist es, dass gerade ältere Menschen mit höherem Risiko für unerkanntes Vorhofflimmern die Vorsorge selbst in die Hand nehmen“, so Bauer, dessen Team den Nutzen der App wie auch der vorbeugenden Behandlung – etwa eine blutverdünnende Therapie – in einer groß angelegten Studie mit rund 40.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern österreichweit testen wird. Das klinische Großprojekt ist in dieser Form einzigartig, auch, weil es die Gewinnung großer klinischer Datenmengen verspricht, die wiederum in Forschung und Therapieoptimierung investiert werden können.
Innovation in der Intensivbehandlung
Innovative Technologien, die an der Innsbrucker Kardiologie im Bereich der Rhythmologie bereits seit kurzem zum Einsatz kommen, standen ebenso auf dem Programm des Kongresses. Die Rede ist etwa von der sogenannten Pulsed Field Ablation (PFA). Diese neuartige nicht-thermische Ablationsmethode verspricht eine noch sicherere, schnellere und effektivere Behandlung für Patienten mit Vorhofflimmern.
„Bei der neuartigen PFA werden elektrische Hochspannungsimpulse von kurzer Dauer über Katheter im Herzen abgegeben. Damit werden Poren in die Membran von bestimmten Zellen gebohrt, sodass diese keine Herzrhythmusstörungen mehr verursachen können. Weil Herzmuskelzellen empfindlicher auf diesen Reiz reagieren als viele andere Zellen, nehmen angrenzende Strukturen weniger Schaden“, erklärt Markus Stühlinger, leitender Oberarzt der Klinik.
Bewährter Know-how Transfer
Dass der konkrete Bezug zur klinischen Praxis im Fokus der wissenschaftlichen Tagung stand, war bereits das erklärte Ziel des mittlerweile verstorbenen Innsbrucker Kardiologie-Vorstandes Otmar Pachinger, der den Kardiologie-Kongress 1998 ins Leben gerufen hatte. „Es hat sich bewährt, neueste Entwicklungen der Kardiologie aus den verschiedensten Fachbereichen zu präsentieren und deren gemeinsame praktische Umsetzung mit nationalen und internationalen Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren. Dieser unmittelbare Know-how-Transfer kommt letztlich den Patient:innen zugute“, resümiert Christoph Brenner als stellvertretender Direktor der Klinik.
Neben diesen Erkenntnissen spielte auch die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses eine wichtige Rolle. Ein besonderes Highlight bildete dabei die Keynote-Lecture, für die in diesem Jahr der renommierte Herzchirurg Günther Laufer gewonnen werden konnte. Der ehemalige Vorstand der Innsbrucker Univ.-Klinik für Herzchirurgie hielt einen Vortrag zum Thema „Eine Zeitreise durch die kardiovaskuläre Medizin“.