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13. Juni 2025

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Vom Kinderschnuller zum Autositz

Vom Kinderschnuller zum Autositz© SPRIND_aevoloop_Team

Deutsches Start-Up aevoloop will Herstellung und Recycling von Plastik neu denken und das ohne Abstriche an Performance und Funktionalität. Vom deutschen Vorzeige-Inkubator SPRIND erhielt das Jungunternehmen nun eine Million Euro als Anschubfinanzierung.

(Christian Czaak) Anfang 2021 feierte Manuel Häußler den bis dato größten Meilenstein seiner wissenschaftlichen Laufbahn: eine Publikation im international renommierten Fachmagazin Nature über komplett recyclebare Kunststoffe, die Nachhaltigkeit und Performance auf nicht gekanntem Niveau vereinen. Um das Interesse der Industrie zu wecken, war es aus der Sicht von Häußler zu früh und so machte er sich selbständig und setzte auf Förderungen.

Recycling war kein Thema und immense Plastikflut war nicht absehbar
Dann folgte ein Treffen mit dem erfahrenen Gründer Philipp Kessler und nach der Bewilligung von einigen Förderanträgen taten sich die beiden zusammen, um Häußlers Entwicklung marktfähig zu machen. „Wir möchten keine negative Story zu Kunststoffen erzählen, sondern vielmehr die positiven Aspekte beibehalten und sie zusätzlich nachhaltig machen“, schildert Philipp Kessler. „Kunststoffe wurden in den 1950er Jahren erfunden, aber seitdem nie wieder grundlegend molekular verändert. Sie wurden einfach nicht für heutige Probleme entwickelt, Recycling war kein Thema und auch diese immense Plastikflut war nicht absehbar“, so die Jungunternehmer.

Mit bestehenden Materialien sei diese Plastikflut nicht mehr einzudämmen, da beim herkömmlichen Recycling längst Materiallimits erreicht werden. Das wollten die beiden Gründer nun anpacken, gründeten 2024 das Unternehmen aevoloop (Anm. unendliche Kreisläufe), um sodann sogenannte planet-proof plastics herzustellen. Häußler und Kessler fokussierten sich auf die Enabler-Technologie, um die ursprünglich erforschten Kunststoffe günstig herstellen zu können und mit diesem Konzept sind die Jungunternehmer dann auch 2023 beim deutschen Vorzeige-Inkubator SPRIND mit einem Validierungsauftrag gestartet.

Vielseitige und konkurrenzfähige Performance
„Wir machen alten Plastikabfall wertvoll, indem wir durch eine Oxidationsreaktion die Kunststoffketten gezielt aufbrechen und dadurch wertvolle molekulare Bruchstücke entstehen. Dann ketten wir die neuen Bruchstücke wieder aneinander zu unseren neuen nachhaltigen Materialien und bauen in die neuen Polymermoleküle gezielt Sollbruchstellen ein“. Und: „Diese stören in der Anwendung nicht, können jedoch in einem chemischen Recyclingverfahren gezielt wieder geöffnet werden. Die kleinen Bausteine sind somit designed for recycling und lassen sich immer wieder verwenden“, erklären Häußler und Kessler ihre innovative Entwicklung.

Dass sich aevoloops Kunststoffe mit herkömmlichem Plastik wie Polyethylen und Polypropylen messen können, davon ist ihr Erfinder absolut überzeugt. Entscheidend sei zum einen die vielseitige und konkurrenzfähige Performance und zudem setzen sie auf geschlossene Materialkreisläufe und auf die biologische Abbaubarkeit der Kunststoffe, um schädliches Mikroplastik zu vermeiden. Und durch das eigentliche Markenzeichen, die Sollbruchstellen auf molekularer Ebene, gäbe es zudem keine Qualitätsverluste für immer neue Anwendungen.

Weitere Möglichkeiten für Polymermischungen und Recycling
„Man könnte einen Schnuller aus unseren Kunststoffen machen und zum 18. Geburtstag wird ein Autositz daraus – und die molekularen Bausteine wären immer noch im gleichen Kreislauf“, so Manuel Häußler. Die als „planetensicher“ bezeichneten Kunststoffe von aevoloop sind schon in vielen Prototypen für potentielle Massenmärkte erprobt, etwa bei Spritzguss, Textilien oder im 3D-Druck. Durch die Verträglichkeit mit konventionellen Kunststoffen ergeben sich darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten für die Verwendung in Polymermischungen sowie für das Recycling.

Auch für die Bruchstücke selbst, die als weißes Pulver aus der Oxidationsreaktion gewonnen werden, gibt es zahlreiche Anwendungen wie Reinigungsmittel, Beschichtungen oder Additive. Dafür verkauft aevoloop diese als Ausgangsstoff verkauft. „Wir sind zudem in der Lage, neue Verpackungsideen mit kompostierbaren Materialien zu realisieren, wobei wir keinerlei Kompromisse in der Performance machen – im Gegensatz zu herkömmlichem Bioplastik“, berichtet CEO Kessler. 

Nächste Ausbaustufe mit Bau einer Pilotanlage
Technologisch strategisch steht das Start-Up aktuell kurz vor der nächsten Skalierungsphase, wofür unter anderem der Bau einer Pilotanlage auf dem Programm steht. Erste Kunden hat aevoloop bereits und Angaben zufolge bahnen sich dazu immer mehr Pilotprojekte an. Finanziell ist das Start-Up eines der ersten Projekte, das die neue Anschubfinanzierung von SPRIND in Höhe von einer knappen Million Euro erhalten hat.

In Kürze steht eine sogenannte Seed-Runde an, um bald ganz auf eigenen Beinen zu stehen. Im Frühjahr 2025 ist das Start-Up, das auf der Managementebene inzwischen von Timo Witt und Carl Warkentin komplettiert wird und insgesamt 14 Mitarbeiter zählt, von Konstanz nach Leipzig umgezogen – unter anderem wegen der Nähe zum neu entstehenden Center for the Transformation of Chemistry in Delitzsch und Merseburg.

Großes Lob für Betreuung und Unterstützung von SPRIND
Für die Betreuung und Unterstützung von Sprind gibt es großes Lob: „Ohne SPRIND wären wir heute nicht da, wo wir sind. Wir haben neben der Validierung Ende 2023 auch an der ersten Stufe der Circular Biomanufacturing Challenge teilgenommen und sind immer noch in aktivem Kontakt zu den Mentoren. Außerdem erhalten wir tolle Kontakte zu möglichen Investoren und Kunden“, erzählt Kessler.

Der mehrfache Gründer ist stolz auf die bisherige Entwicklung von aevoloop und meint, dass in den Universitäten noch viel mehr große Schätze schlummern. „So viel Wissen und Technologie, so viele Patente liegen dort ungenutzt. Ich würde jedem empfehlen, an den Unis zu suchen, wenn sie sich nach einer guten Idee umsehen“ betont Philipp Kessler. „Es ist für Gesellschaft wie Wirtschaft extrem schade, dass vieles nicht den Weg aus der Wissenschaft in die Anwendung findet“, unterstreicht der aeveloop Manger und Gründungsexperte.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 16.05.2025