Die Quadratur des Kreises in der aktuellen Geldpolitik

EZB-Rat senkt Leitzinssätze um jeweils 25 Basispunkte und berücksichtigt dabei Inflation und schwierige Wirtschaftslage und Geopolitik. Christine Lagarde und Luis de Guindos erläutern die zugrunde liegenden Überlegungen.
(red/czaak) Der EZB-Rat hat beschlossen, die drei Leitzinssätze der EZB um jeweils 25 Basispunkte zu senken. „Der Beschluss zur Senkung des Zinssatzes für die Einlagefazilität – der Zinssatz zur Steuerung des geldpolitischen Kurses – spiegelt die aktualisierte Beurteilung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission wider“, so die EZB in einer Aussendung.
Erhöhte Unsicherheit mindert Konsum
Ein zentrales Kriterium für diese Entscheidung ist die Entwicklung der Inflation. Dazu die EZB: „Die Inflation hat sich weiterhin im Einklang mit den Erwartungen unserer Fachleute entwickelt. Im März ist sowohl die Gesamt- als auch die Kerninflation zurückgegangen. Auch der Preisauftrieb bei Dienstleistungen hat sich in den letzten Monaten deutlich abgeschwächt. Die meisten Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation deuten darauf hin, dass sich die Inflation nachhaltig im Bereich unseres mittelfristigen Zielwerts von 2 Prozent einpendeln wird“.
Weitere Entscheidungskriterien betrafen Lohnwachstum, Konsum und die eingetrübte Wirtschaftssituation. Die EZB schreibt dazu: „Das Lohnwachstum lässt nach, und die Gewinne federn die Auswirkungen des immer noch erhöhten Lohnwachstums auf die Inflation teilweise ab. Die Wachstumsaussichten haben sich durch die Handelsspannungen eingetrübt. Die erhöhte Unsicherheit dürfte Vertrauen und Konsumverhalten der privaten Haushalte und Unternehmen mindern. Die negative und volatile Marktreaktion auf die Handelsspannungen dürfte sich zudem restriktiv auf die Finanzierungsbedingungen auswirken“.
Handelsbarrieren für die Exporteure des Euroraums
Die EZB folgert daraus: „Diese Faktoren könnten die Wirtschaftsaussichten im Euroraum zusätzlich belasten. Wir sind daher entschlossen, für eine nachhaltige Stabilisierung der Inflation bei unserem mittelfristigen Zielwert von 2 Prozent zu sorgen. Insbesondere in der gegenwärtigen Situation, die von außergewöhnlicher Unsicherheit getrübt ist“.
In einem eigenen Kapitel erläutern die EZB-Experten die aktuelle Situation der Wirtschaft und schreiben dazu: „Die Exporteure des Euroraums sind mit neuen Handelsbarrieren konfrontiert, deren Ausmaß jedoch unklar bleibt. Störungen des Welthandels, Spannungen an den Finanzmärkten und geopolitische Unsicherheiten belasten die Unternehmensinvestitionen. Die Verbraucher:innen blicken vorsichtiger in die Zukunft und könnten sich deshalb auch mit ihren Ausgaben zurückhalten“.
Verarbeitendes Gewerbe zeigt Anzeichen einer Stabilisierung
Die EZB-Experten erläutern auch einzelne Wirtschafts-Segmente: „Die Wirtschaft des Euroraums hat eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegenüber globalen Schocks aufgebaut und sie dürfte im ersten Quartal dieses Jahres gewachsen sein. Das verarbeitende Gewerbe etwa hat Anzeichen einer Stabilisierung gezeigt“. Ein wichtiger Punkt in der Entscheidungsfindung bei den Zinsen ist der Beschäftigungsstand bzw. die Arbeitslosenquote. Die EZB dazu: „Die Arbeitslosenquote sank im Februar auf 6,1 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit der Einführung des Euro“.
Auch das Realeinkommen wird behandelt: „Ein starker Arbeitsmarkt, höhere Realeinkommen und die Auswirkungen unserer Geldpolitik sollten den Ausgaben zugutekommen. Es ist zu erwarten, dass die bedeutenden auf nationaler und EU-Ebene eingeleiteten politischen Initiativen zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben und der Infrastrukturinvestitionen dem verarbeitenden Gewerbe Auftrieb geben. Das geht auch aus jüngsten Umfragen hervor“.
Maßnahmenfahrplan der EZB beinhaltet auch Vollendung der Spar- und Investitionsunion
Der Maßnahmenfahrplan der EZB beinhaltet auch die Vollendung der Spar- und Investitionsunion. Dadurch sollen Sparer:innen mehr Anlagemöglichkeiten und Unternehmen einen besseren Zugang zu Finanzmitteln, insbesondere Risikokapital, erhalten. Enthalten ist auch das Thema Rechtsrahmen als Grundlage für die potenzielle Einführung eines digitalen Euro.
Besonderes Entscheidungskriterium bei der Festlegung der EZB-Zinssätze ist die Entwicklung der Inflation. Hierzu veröffentlicht die EZB entsprechend genaue Erläuterungen. „Die jährliche Inflationsrate verringerte sich im März leicht auf 2,2 Prozent. Die Energiepreise gingen um 1,0 Prozent zurück, nachdem sie im Februar leicht angestiegen waren. Die Inflation bei Nahrungsmitteln stieg hingegen von 2,7 im Februar auf 2,9 im März. Bei Dienstleistungen hat sie sich im März erneut auf 3,5 Prozent abgeschwächt, ein halber Prozentpunkt unter der Ende letzten Jahres verzeichneten Rate“.
Das Lohnwachstum schwächt sich allmählich ab
Die EZB macht beim Punkt Inflation auch einen Blick in die Zukunft: „Die meisten Indikatoren deuten auf eine nachhaltige Rückkehr der Inflation auf unser mittelfristiges Inflationsziel von 2 Prozent hin. Die Binneninflation ist seit Ende 2024 gesunken. Das Lohnwachstum schwächt sich allmählich ab. Die jährliche Wachstumsrate des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer ist im Schlussquartal 2024 auf 4,1 Prozent zurückgegangen, nach 4,5 im Vorquartal“.
Und: „Die steigendende Produktivität bedeutete auch, dass die Lohnstückkosten langsamer anzogen. Der EZB-Indikator und Informationen aus Unternehmen lassen darauf schließen, dass das Lohnwachstum 2025 zurückgeht. Darauf deuteten auch die von unseren Fachleuten erstellten Projektionen vom März hin, wo die meisten Messgrößen der längerfristigen Inflationserwartungen weiterhin bei rund 2 Prozent liegen. Dies begünstigt eine nachhaltige Rückkehr der Inflation auf unseren Zielwert“.